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  Doppelherzi
 

Doppelherzi    

„Wissen´s „  sagte Herr Schwenker aus Österreich „eigantlich sollten mier uns das gar nimmermehr antun- aber was will man machen! Guten Morgn, gnä´Frau!“ 
Er deutete einen flüchtigen Handkuss an und stellte seine blonde Frau vor.
Sie trug weißgoldene Schuhe, einen weißen Sweater mit zimt- und bleufarbener Paillettenstickerei und weiße Hosen in Zigarrenform. 
Die Frau, die das Paar begrüsste, hatte dünne Weichplastiksandalen an den nackten Füßen. Die Sohle der Latschen war fast gänzlich abgetreten. 
Mit harten Händen schloss die Frau das Eisentor, das etwas klemmte.
„Kommen Sie weiter,“ sagte sie „da hinten haben Sie einen guten Überblick über die ganze Finca, aber seien Sie vorsichtig- wir haben nur den groben Lehmweg hier, da gibt es viele Stolpersteine!“
Herr Schwenker lachte herzhaft . „Naaa gnä´Frau, unsereiner kennt an Fehltritt,
noch bevor es aaner wird, gell Herzi?“   Seine blonde Frau lachte folgsam.
Man ging ein paar Schritte, dann blickte man hinab zum Meer, das sich bis zum Horizont 
erstreckte, im Dunst war die Insel La Palma in Umrissen zu sehen.
„Ist das nicht schön?“ fragte die Frau mit den Sandalen und atmete tief ein.
„Da geht einem doch das Herz auf, nicht?“   „Sehr schön, der Blick,“ bestätigte Herr Schwenker. Er ließ seine Augen umherwandern.
„Wieviel sagten´s Quadratmeter gehören dazu? Fünftausend?“ 
„Knapp sechs“, sagte die Frau, „genauer gesagt, fünftausendachthundert.
Über fünftausend gibt es eine Eintragungsurkunde im Katasteramt, der Rest ist mit Privatvertrag gekauft.“  „Soso,“ sagte Herr Schwenker, „soso.“
Über den breiten gebogenen Lehmweg, an dessen Seite drei große Eukalyptusbäume
standen, kam man zum Autostellplatz, der sich unterhalb
eines braungestrichenen Hauses befand. 
Ein einfaches Rohrgestell, mit Kunststoffwellplatten bedeckt, schützte den alten Passat darunter vor der Sonne. Auf den Wellplatten lagen Palmwedel, 
auch um die vertikalen Rohre waren Wedel gebunden.  „Das sieht nicht ganz so roh aus,“ erklärte die barfüßige Frau etwas hastig, „man macht eben das Beste daraus.....“   
„Also dann hamms keine Garaschn,“ stellte Herr Schwenker fest.
Er drehte sich um und machte eine Schnute. „Keine Garaschn also,“ wiederholte er. 
Die blonde Frau nestelte an ihrer Hochfrisur, aus der zwei abgezirkelte lange Strähnchen herabgezupft waren und ihr immer wieder in die Augen wehten. 
Ihre weißgoldenen Schuhe waren bereits von gelbbraunem Lehmstaub verunreinigt.
„Aber der Blick ist schon sehr schön,“ bemerkte sie.
Eine Zeitlang schwiegen alle.
„Wie kommt es-„ wollte dann Schwenker  wissen, „dass man sowas dann doch aufgibt?
Wielange sind Sie schon auf Teneriffa?“ 
„Fast elf Jahre“, sagte die Besitzerin der Finca, „es werden jetzt elf Jahre.“ 
 Sie hob einige Steine auf und warf sie weiter weg. „Es ist auch sehr schwer, das alles aufzugeben. Es ist, als ob man einem ein Körperteil wegschneidet. Aber....es nützt nichts. Ich habe keine andere Wahl.“ 
Sie rückte ihr Kopftuch, das zu einem Turban gebunden war aus der Stirn. 
„Mein Mann und ich haben uns zur Trennung entschlossen,- er-..wir haben einfach nicht mehr die gleichen Ansichten und Interessen, es geht zu weit auseinander.“
„Das ist traurig. Sehr traurig.“ sagte Schwenker.
Er zog seine Hose hoch, die trotz des Ledergürtels weit unter dem hoch gewölbten Bauch 
hing. „Man muß halt schon an einem Strang ziehen, wenn man sowas in Angriff nimmt im Ausland, da muß man sich auf den andern blind verlassen können, gell Herzi, so wie wir beide!“ 

 Er drückte die leicht widerstrebende Ehefrau an sich.
„Mier wissn, was wir aneinander haben.“
Die Fincabesitzerin wandte sich zur Seite. „Wir dachten auch,
daß wir es schaffen, es war beiderseits die große Liebe. Vielleicht sollte es einfach nicht sein. Aber kommen Sie doch weiter.“
Oben, auf der nächsthöheren Terrasse, standen zwei einstöckige Häuser.
Das linke,solide gebaut, braungestrichen, hatte zwei große Glastüren,
das rechte Haus wirkte etwas schäbig und hatte nur ein Eternitdach.   „Hier in dem grösseren Haus sind zwei Appartements zum Vermieten drin,“ 
erklärte die Besitzerin, in dem einen wohne momentan ich,
dort drüben im alten Haus wohnt mein Exmann, also....noch.“ 
Die Gruppe besichtigte die Räume, die freundlich und sauber waren und mit Holz ausgestattet waren. Auch von hier oben war der Blick unvergleichlich schön.
der Geruch der vielen Pinien, die auf der Finca wuchsen, wehte herauf  und ihr gleichmässiges Rauschen war zu hören, sonst war es ganz still.
„Wir haben hier soviel gearbeitet,“ fuhr die Besitzerin fort, „daß wir uns das Kreuz fast kaputtgemacht haben, Steine geschleppt, Mauern gebaut, Bäume gepflanzt-
jeder Baum außer den Pinien ist von uns gepflanzt- zwei der Benjamini dort haben die Vornamen meiner Eltern, Heinz und Barbara, da hängt man mit.....“ sie verstummte.
Die blonde Frau sah sie mit großen Augen an. „Es muß sehr schwer für Sie sein.“
Ihr Mann hatte sich wegen des Gefühlsaufkommens etwas entfernt
Seine Daumen hakten im Gürtel.  „Schad` ist, daß da kein Pool ist,“ bemerkte er. 
„Ich meine, hier kann man sich ausarbeiten, und das war ja eigentlich etwas, das ich wollte- sich mal so richtig ausarbeiten, also körperlich,-
da darf man ja im Alter nicht nachlassen,----aber dass da kein Pool ist------„  
„Das wollten wir nie,“ sagte die Besitzerin trotzig, „selbst wenn wir es gekonnt hätten- sowas wär uns nie in den Sinn gekommen.
Wir wollten die Finca so natürlich wie möglich lassen, und wir haben soviele Vögel hier, sogar Bachstelzen, und unten am Teich gibt es Dutzende von Laubfröschen...“
„Ach gnä´Frau,“ sagte Schwenker, „was wollen´s denn mit Laubfrösche, da müsste ein Pool hin da unten. Nein, es wär schon viel zu machen hier.“
Herzi ging langsam zu ihm hin. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und er strich ihr übers Haar. Sie sahen eine Zeitlang so hinab.
„Ich will Ihnen was sagen,“ wandte sich Schwenker wieder an die Besitzerin. „Ich hab hier
auf der Insel mehrere Immobilien, in Österreich auch, ich bin Bauunternehmer
und ein alter Hase. Mier kann keiner etwas vormachen, auch kein Spanier oder sonstwer. Dieses Objekt hier-„ er machte eine weite Armbewegung-  „das ist etwas, da müssen Sie mit Hand und Fuß anfangen, mit System herangehen, da muß der Bagger her und der Kran, schweres Gerät, das kostet ein kleines Vermögen!“
Die Frau wiegte den Kopf. „Es kommt ganz darauf an, was man sich vorstellt.
Wir wollten keinen Bagger, wir wollten alles lassen, die Pinien und auch die vielen Kakteen,
ganz natürlich eben, einfach gewachsen. Wir haben nie Wert auf Komfort gelegt oder auf einen Pool.“
„Tja,“ sagte Schwenker „das sind eben die Unterschiede, wie man es gewohnt ist, nicht wahr, oder was man so will. Kommen wir doch jetzt einmal zu dem, was SIE wollen, gnä´Frau. Was hätten Sie sich denn vorgestellt, also pekuniär, meine ich?“
Sie sah ihn fest an. „Zweihundertvierzigtausend“ sagte sie, „ für alles, es muß noch eine Resthypothek davon bezahlt werden.“  
Schwenker drehte sich zu seiner Frau um, beide wechselten einen langen Blick.
Er lachte. „Das sind ja.....warten´s.....
drei Millionen, dreihundertsechzigtausend Schilling!  Das kriegen Sie nie!“


„Ich werde es drauf ankommen lassen,“ sagte die Besitzerin, „ich weiß, wie hoch hier der Wertzuwachs in den letzten Jahren war, das muß man mit einberechnen.“
Schwenker schnaufte. Hundertfünfzigtausend, „sagte er, „höchstens! Allerhöchstens!
Das würde ich Ihnen sofort bar auszahlen,so wie Sie dastehen.“  
„Tja“, sagte die Frau, so leid´s mir tut, das geht nicht.“ 
Schwenker nahm das Herzi an der Hand, er hatte sein Gesicht gut unter Kontrolle.
„Naja, ich red mal mit meinem Gutachter und dem Notar, was die dazu sagen,
und ich kann ja einmal jemand herschicken, der das Ganze taxiert, wenn Sie einverstanden sind. Nur- über zwaahunderttausend- sans mier nicht bös, das ist ein Unding.“
„Selbstverständlich“, sagte die Besitzerin, „der Gutachter kann gerne jederzeit kommen. Aber meine Forderung bleibt, wie sie ist. Ich kenne den Wert der Finca.“
Nun lächelte Schwenker etwas. „Vergessen´s nicht, gnä´Frau- es ist wie beim Schach,
manchmal muß man eine wichtige Figur opfern, um nicht ganz schachmatt dazustehen.“ Die Besitzerin erwiderte das Lächeln.
„Ich vergesse es nicht, ich könnte es mir gar nicht leisten, etwas zu vergessen, 
aber man muß seine Haut so teuer wie möglich verkaufen
und meine Haut ist  etwas ganz Besonderes,genauso wie die Finca.
Da muß einer ein Auge dafür haben. Bevor ich sie verscherble, kriegt es die Bank.
Das ist dann ein- und dasselbe.“
Stumm ging die Gruppe zum Eingangstor.
Man verabschiedete sich höflich, aber kühl. Der Handkuss blieb aus.
Die Frau schloß ab und ging mit schlabbenden Sandalen über den Lehmweg zurück.
Sie zupfte ein paar braune Spitzen von den Aloepflanzen.
Ein paar schwarzweiße Schwalben schossen über ihren Kopf, man hörte ihre Flügel durch die Luft zischen.
Sie atmete tief ein und aus.
„Arschloch“ sagte sie „du kannst dir vielleicht alles mögliche kaufen 
und nochmal ein neues Herzi, aber die Finca kriegst du nicht.  Vorher erschieß´ich mich.“
 
 
 
 
 
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